Ein neuer Medienbericht stellt engere Zusammenhänge zwischen der Verbreitung der Spionagesoftware Predator und dem Büro des Premierministers her:
Die unabhängigen Behörden, die den Abhörskandal untersuchen, beschuldigen nun direkt die Regierung der Einmischung.
Ein Konsortium internationaler investigativer Medien, darunter Reporters United, Der Spiegel und Mediapart, haben in der Tageszeitung Efimerida ton Syntakton einen ausführlichen Bericht veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass mindestens 11 Ziele durch Textnachrichten von der Handynummer von Grigoris Dimitriadis, dem ehemaligen Stabschef von Premierminister Kyriakos Mitsotakis, mit der Spionagesoftware „Predatory“ infiziert wurden.
In dem Artikel wird behauptet, dass sich durch neue Informationen der griechischen Datenschutzbehörde eine direkte Verbindung zwischen dem inneren Kreis Mitsotakis und dem Einsatz der illegalen Spionagesoftware herstellen lassen.
Dimitriadis hatte in seiner Funktion als Generalsekretär des Büros des Premierministers auch die politische Aufsicht über den Geheimdienst EYP inne und trat im August 2022 im Zuge der Affäre zurück, nachdem bekannt geworden war, dass der Geheimdienst die Telefone einer Reihe von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens abhörte. Unter den abgehörten Handys war auch das des Vorsitzenden der sozialistischen PASOK-Partei, Nikos Androulakis. Der ehemalige Beamte bestritt jegliche Beteiligung an der illegalen Überwachung, während der Premierminister Behauptungen zurückwies, seine Regierung habe die Spionagesoftware eingesetzt.
Seitdem hat eine Reihe von Enthüllungen die Spähsoftware mit Spähaktionen des EYP in Verbindung gebracht. Gleichzeitig wurde die Regierung beschuldigt, die Affäre zu vertuschen, indem sie parlamentarische Untersuchungen behindert, Gesetzesänderungen einführte, die den Informationsaustausch einschränken, und sich in die Untersuchungen von Überwachungsbehörden und Justiz einmischt.
Nach den jüngsten Entwicklungen scheint das Verhältnis der Regierung und dem Leiter der Aufsichtsbehörde für Kommunikationssicherheit (ADAE) Christos Rammos, einem ehemaligen Richter, irreparabel geschädigt zu sein.
Regierungsvertreter – unter anderem der Premierminister - haben Christos Rammos vorgeworfen, persönliche Ziele zu verfolgen. In einer Rede im Parlament am Mittwoch (01.11.2023) behauptete Mitsotakis, dass Rammos in offenem Austausch mit der größten Oppositionspartei SYRIZA stehe und bezeichnete ADAE als "undicht wie ein Sieb".
Der ADAE-Chef hatte vor dem LIBE-Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments behauptet, dass er und seine Kollegen von Regierungsvertretern unter Druck gesetzt worden sein, die Untersuchung möglicher Verbindungen zwischen dem Überwachungsprogramm der EYP und der Verwendung von Spyware einzustellen.
In seiner Rede auf einem Symposium der unabhängigen Behörden Griechenlands am Donnerstag (02.11.2023) reagierte Rammos auf das, was er als Angriffe auf seine Person bezeichnete, und behauptete, die Regierung habe untragbare Bedingungen für die Arbeit der Behörde geschaffen. Der ehemalige Richter beschuldigte die Regierung, die unabhängigen Behörden durch die Einschüchterung von Beamten und Mitarbeitern auf eine "dekorative" Rolle reduzieren zu wollen.
Auch der Leiter der Datenschutzbehörde, Konstantinos Menoudakos, bezeichnete das Vorgehen der Regierung als "eine noch nie dagewesene institutionelle Bedrohung".
Die Funktionäre der Nea Dimokratia scheinen jedoch von den Vorwürfen unbeeindruckt zu sein. In einer weiteren Sitzung des Symposiums wurde Staatsminister Makis Voridis gebeten, sich zur Haltung der Regierung gegenüber unabhängigen Behörden zu äußern. Er erklärte, dass es innerhalb der Regierung das Gefühl eines "Übermaßes" an "sogenannten Regulierungs- und Verwaltungsbehörden" gebe. Es sei in den nächsten sechs Monaten eine Überprüfung der unabhängigen Behörden geplant, die zu erheblichen Umstrukturierungen und Zusammenlegungen führen könnte.
Die Angriffe auf Rammos und ADAE wurden von den Oppositionsparteien verurteilt. Der SYRIZA-Vorsitzende Stefanos Kasselakis beschuldigte das Büro des Premierministers des "Rufmords an ehrlichen Staatsdienern". Der PASOK-Vorsitzende Nikos Androulakis behauptete, die Nea Dimokratia habe "einen Schattenstaat um das Büro des Premierministers" geschaffen. Sowohl SYRIZA als auch PASOK haben in den letzten Tagen darauf gedrängt, dass die Untersuchung der Überwachungsaffäre durch die Justiz fortgesetzt wird.
Trotz immer deutlicherer Beweise, die auf eine mögliche Zusammenarbeit zwischen dem Geheimdienst und den Nutzern von Predator hinweisen, scheinen Mitsotakis und seine Spitzenbeamten entschlossen zu sein, jegliche Verwicklung zu leugnen, während sie weiter die Konfrontation mit den Überwachungs- und Regulierungsbehörden suchen.
Umfragen
Das überwältigende Selbstvertrauen der ND-Vertreter wird durch Umfragedaten gestützt, die der Partei weiterhin einen deutlichen Vorsprung vor einer gespaltenen Opposition bescheinigen. Nach den jüngsten, von MRB für Open TV veröffentlichten Wahlprognosen liegen die Konservativen mit 38 Prozent in Führung, gefolgt von SYRIZA mit 15,2 Prozent und PASOK mit 13,9 Prozent.
Das gute Abschneiden der ND steht im Gegensatz zu den qualitativen Daten derselben Umfrage: 64 Prozent der Befragten haben ein negatives Bild von der Regierung, während 61,5 Prozent das derzeitige Kabinett als schlechter bezeichnen als das Kabinett vor den letzten Wahlen im Mai.
Mehr als die Hälfte der Bürger macht sich Sorgen über die Lebenshaltungskosten, jeder Vierte über die Wirtschaft, jeder Fünfte über die Gesundheit und 16 Prozent über schlechte Einkommen. Über 56 Prozent sagten den Meinungsforschern, dass sie glauben, das Land steuere in die falsche Richtung.
Ein Teil der Ursachen dieses scheinbaren Widerspruchs ist zweifellos die noch schlechtere Einschätzung der Opposition. Mehr als 70 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass sich unter der Führung von Stefanos Kasselakis das Ansehen von SYRIZA, der wichtigsten Oppositionspartei, verschlechtert hat.
[Übersetzt und veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Macropolis, www.macropolis.gr]
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