28.11.2022

Scholz-Besuch in Athen: Was die deutsche Presse hat vermissen lassen

Eine kurze Analyse der deutschen Presseberichterstattung über den Griechenland-Besuch von Bundeskanzler Scholz, von Georgios Pappas (Deutschland-Korrespondent ERT/TA NEA)

Am besten hat Recep Tayyip Erdogan die Bedeutung des Antrittsbesuches vom Bundeskanzler Olaf Scholz in Athen am 27. Oktober auf den Punkt gebracht. Der türkische Präsident hat eine „neutrale Haltung“ von Deutschland gefordert, das habe er Olaf Scholz in einem Telefonat mitgeteilt, hieß es in Ankara. Erdogan war sauer, weil der Bundeskanzler sich gegen türkische Ansprüche auf griechische Inseln in der Ägäis positionierte. Es sei „nicht akzeptabel, wenn ein Nato-Partner die Souveränität eines anderen infrage stellt“, sagte Scholz der griechischen Zeitung „Ta Nea“. Das gelte „auch für mehr oder weniger verschlüsselte militärische Drohungen“.

Die deutsche Presse stellte unisono fest: „Bundeskanzler Olaf Scholz hat Griechenland gegen türkische Drohungen in Schutz genommen“. In Zeiten des russischen Angriffskriegs gegen eine europäische Demokratie „ist auch ein Spaziergang über die Akropolis mit Bedeutung aufgeladen“, konstatierte die „Süddeutsche Zeitung“. Mitsotakis und Scholz „feierten gemeinsam den Ringtausch“, der Griechenland 40 Marder-Schützenpanzer beschert hat – im Gegenzug für 40 Schützenpanzer sowjetischer Bauart, die das Land der Ukraine liefern soll.

Die neuen Töne aus Berlin, die die Außenministerin Annalena Baerbock bei ihrem Antrittsbesuch in Athen im Juli noch deutlicher zum Ausdruck brachte, wurden in Griechenland wohlwollend aufgenommen. Dennoch machen sich auch bei Scholz Überbleibsel der merkelschen Tradition einer äquivalenten Haltung gegenüber Griechenland und der Türkei bemerkbar. Das Kanzleramt versucht so leise wie möglich auf die aggressive Rhetorik Erdogans zu reagieren. „Man darf auch nicht über jeden Satz lange diskutieren, der da fällt“, antwortete der stellvertretende Regierungssprecher im Vorfeld des Kanzlerbesuches in Athen auf die Frage, wie Olaf Scholz die Drohung Erdogans gegenüber Griechenland „Wir könnten mitten in der Nacht kommen“ bewertet.

Wiederholt man hier dieselben Fehler wie bei Putin?  Lange Zeit hat man die Drohungen Putins nicht ernst genommen, bis er die russischen Truppen in die Ukraine einmarschieren ließ. In Griechenland vermisst man eine entschiedene, nachhaltige und konsequente Haltung der Deutschen gegenüber Ankaras Drohungen. Die Doktrin des „Blauen Vaterlandes“, die Erdogan aggressiv verfolgt, ist eine akute Gefahr nicht nur für Griechenland in der Ägäis, sondern für die ganze Region des östlichen Mittelmeers. Das fand aber auch diesmal nicht die entsprechende und notwendige Beachtung seitens der deutschen Politik, genauso wenig in der deutschen Presse. Eine Ausnahme machte das „Handelsblatt“ mit einem langen Beitrag über den „neuen Rüstungsgigant Türkei“. Ankara, so das „Handelsblatt“, „provoziert Griechenland mit Raketentests und exportiert in großem Stil Waffen“, was in der NATO „wachsendes Unbehagen“ hervorrufe. 

Bei der Energiekrise und dem Streit über einen EU-Gaspreisdeckel blieben Scholz und Mitsotakis auch in Athen uneins. Der Bundeskanzler bekam vom griechischen Premier aber wichtige Unterstützung bei der heiklen Frage des Teilverkaufs eines Terminals im Hamburger Hafen an den chinesischen Konzern Cosco. Das Thema hob die „FAZ“ besonders hervor mit der Äußerung von Mitsotakis, niemand sei „naiv, was die Beziehungen zwischen Europa und China angeht“. Gleichzeitig verteidigte er die Entscheidung, den Hafen von Piräus über Pachtverträge für eine Dauer von bis zu 40 Jahren Cosco zu überlassen. Seine Botschaft an die Scholz-Kritiker: "Wenn Sie mich fragen, ob ich darüber beunruhigt bin, dann: Nein, nicht besonders".

Die griechischen Forderungen nach Kriegsreparationen fanden in den deutschen Medien diesmal kein großes Echo. Mitsotakis hat die Forderungen wiederholt und auf den Sonderfall der Zwangsanleihe hingewiesen. Aber dieses Thema, stellte er klar, trübe nicht mehr das gesamte deutsch-griechische Verhältnis. Das ist gut so.

 

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